„Visiere sind unsicher“

Face Shield“, Spuckschutz und Hygiene-Tools: Einer der anerkanntesten Virologen Deutschlands – Prof. Dr. Ingo Drexler, stellvertretender Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf – nahm sich für MaskRadar erneut Zeit und beantwortet unsere Fragen rund um Masken.

Prof. Dr. Ingo Drexler, Virologe (links) und Anja Kühner, Journalistin (rechts)
Prof. Dr. Ingo Drexler, Virologe (links) und Anja Kühner, Journalistin (rechts)

Einige Menschen tragen durchsichtige Visiere anstelle von Mund-Nase-Bedeckungen. Was sagen Sie aus Virologensicht dazu?

Diese sogenannten „Face Shields“ sind ohne zusätzliches Tragen einer Maske unsicher. Sie erfüllen die wichtigste Aufgabe einer Maske nicht: Sie fixieren nicht die Tröpfchen beim Ausatmen. Eine Maske bindet die Tröpfchen im Stoff – deshalb wird dieser ja feucht. Visiere lenken die Atemluft lediglich um – nach unten. So wird die Anzahl der Viren nicht reduziert, die ein Infizierter an die Umgebungsluft abgibt. Die ausgeatmeten Viren gelangen ungefiltert in die Luft. Daher stehen Visiere für ein ungleich höheres Risiko für andere Menschen als dies beim Tragen einer Maske der Fall wäre.

Und wie stehen Sie zu am Kinn befestigtem Spuckschutz?

Ich halte ihn sogar für latent risikosteigernd für die Umgebung, da er die Atemluft in die Höhe umlenkt. Besonders schlecht schneidet der Spuckschutz ab, wenn er in geschlossenen Räumen getragen wird. Weil die ausgeatmeten Tröpfchen einen Umweg nach oben machen, bevor sie zu Boden sinken, können sich mehr Aerosole bilden – und wie wir inzwischen wissen, sind Aerosole einer der Haupt-Infektionswege.

Dann sehen Sie Hygiene-Tools, die beim Türöffnen das Anfassen der Klinke verhindern und mit denen man einen Aufzugsknopf drücken kann, sicher ebenfalls kritisch?

Werden grundsätzliche Hygieneregeln eingehalten, dann reicht dies für Alltagssituationen aus. Wer nicht zur Hochrisikogruppe gehört, der braucht kein Plastikteil, mit dessen Hilfe er eine Türklinke niederdrückt. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, der sollte statt dessen ein Desinfektionstüchlein nutzen. Dann vernichtet er etwaige Viren, die sich auf der Oberfläche abgesetzt haben könnten und schützt nicht nur sich, sondern auch andere, die nach ihm diese Stelle anfassen. Wer Stellen anfassen muss, die viele andere Menschen auch anfassen – beispielsweise Haltestangen in Bussen und Bahnen – der kann für diese Gelegenheit einen Handschuh anziehen.

Ich rate auch vor allzu viel Handdesinfektion ab. Denn wenn die Haut an den Händen dadurch rissig wird, dann fällt die Hautbarriere weg und ermöglicht zusätzlich andere Infektionen. Gründliches Händewaschen mit Seife reicht im Alltag aus. Aber das sollten wir inzwischen alle verinnerlicht haben: Zweimal „Happy Birthday“ singen ist die richtige Länge eines Händewaschens…

„Spätestens dann Maske wechseln, wenn sie durchfeuchtet ist“

Zur Handhabung von Mund-Nase-Schutz: Einer der anerkanntesten Virologen Deutschlands – Prof. Dr. Ingo Drexler, stellvertretender Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf – nahm sich für MaskRadar erneut Zeit und beantwortet unsere Fragen rund um Masken.

Prof. Dr. med. Ingo Drexler
Prof. Dr. med. Ingo Drexler

In welchem Fällen oder für wen empfehlen Sie das Tragen von Stoffmasken und in welchen Fällen das Tragen von Einwegmasken?

Wie wir inzwischen wissen, unterscheidet sich die Wirkung von OP-Masken und geschneiderten Alltags-Stoffmasken geringer als ursprünglich gedacht. In den meisten Fällen ist es lediglich eine Frage des Tragekomforts. Ich habe auch schon eine Stoffmaske gekauft und musste sie weiter verschenken, weil sie nicht richtig saß. Vielleicht lag es ja an meinem Vollbart…

Wer Einwegmasken im Alltag nutzt, der hörte immer den Rat: Wenn sie durchgeweicht vom Atmen sind, dann wegwerfen. Ein Besuch im Supermarkt dauert aber nicht stundenlang, und so stecken viele die Einwegmaske in die Tasche und holen sie später wieder raus, um sie beim nächsten Geschäft erneut 10 Minuten aufzusetzen. Was sagen Sie als Viren-Experte zu diesem Vorgehen?

Solange das Anlegen und Abnehmen der Maske korrekt erfolgt, ist dagegen nichts einzuwenden. Korrekt heißt, die Maske ausschließlich an den Schlaufen oder Bändern anzufassen und den Stoff nicht zu berühren. Im besten Fall vorher die Hände waschen und danach desinfizieren. Man will sich ja nicht selbst kontaminieren.
Der Grund, weshalb eine Maske ausgetauscht werden sollte, ist die Feuchtigkeit im Gewebe. Einwegmasken sind nach einigen Stunden Non-Stop-Tragen komplett von der Atemluft durchfeuchtet. Bei geschneiderten Alltagsmasken sieht das nicht anders aus. Aber nach einer Stippvisite im Supermarkt kann man die Maske getrost wieder einpacken und am nächsten Tag erneut verwenden. Nach spätestens zwei Tagen jedoch sollte die Stoffmaske in die Wäsche und die Einwegmaske in den Müll. Ein häufigerer Wechsel ist dann angesagt, wenn man sich in potentiell riskanteren Situationen befunden hat, beispielsweise längere Zeit in öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren ist. Dort sind viele Menschen geraume Zeit in einem engen Raum, sodass die Wahrscheinlichkeit, dass infektiöses Material in der Luft ist, höher ist. Daher geht man auf Nummer sicher, indem man die Maske nach der Fahrt auswechselt.

Was passiert, wenn ich eine feuchte Maske weitertrage?

Ist eine Maske zu feucht, dann funktioniert sie nicht mehr gut als Filter. Die Tröpfchen der Atemluft können nicht mehr im Stoff hängen bleiben. Stattdessen gehen die Atemstöße ungefiltert durch und erzeugen an der Außenseite selbst Tröpfchen, die in die Umwelt abgegeben werden. Die Wirkung der Maske ist also erheblich reduziert, wenn das „Fanggitter“ fehlt. Außerdem bildet die warme Feuchtigkeit in den Masken einen guten Nährboden für Bakterien und Pilze – die den Träger krank machen können. Also besser die Maske austauschen, bevor sie völlig durchfeuchtet ist.

Muss man Stoffmasken ständig waschen? Oder reicht heißes Bügeln aus?

Bügeln ist eine gute Ergänzung zum Waschen bei mindestens 60 Grad, aber keine Alternative. Bügeln (trockene Hitze) tötet nämlich nicht alle Bakterien und Pilze ab – und die können sich ja zusätzlich zu Viren in der Luft befinden, die wir ein- und ausatmen, und sich in der Maske absetzen.